Unerzähltes aus »Verheißung und Dekadenz«

Wassili Andrejewitsch Schukowski und Caspar David Friedrich

Marion Voigt am Dostojewski-Denkmal in Baden-Baden

9. Februar 1783. Aus Anlass seines Geburtstags vor 242 Jahren erinnere ich an den Dichter Wassili Andrejewitsch Schukowski und an seine Verbindung zu Caspar David Friedrich. Schukowski war ein Erneuerer der russischen Literatursprache und eine große Integrationsfigur, Mentor Puschkins, Freund Gogols, Erzieher des Thronfolgers – dem Zaren gegenüber zeitlebens vollkommen loyal, aber zugleich fest im (west-)europäischen Geistesleben verwurzelt. Und er war ein Freund und Förderer Friedrichs.

Künstlerfreundschaft in Dresden

Schukowski lernte den acht Jahre jüngeren Maler 1821 auf seiner ersten Deutschlandreise kennen. Als Begleiter der späteren Zarin, einer Tochter des preußischen Königs, kaufte er in ihrem Auftrag einige von Friedrichs Bildern. Er notierte: »[…] wir waren uns vom ersten Moment an vertraut«. Schukowskis Einladung, ihn in die Schweiz zu begleiten, nahm Friedrich nicht an. Er könne die Natur nur allein genießen, nannte er als Grund.

In den folgenden Jahren besuchte der russische Dichter oft Friedrichs Atelier in Dresden. Er brachte auch Freunde mit, wie die Brüder Alexander und Sergej Turgenjew (nicht verwandt mit Iwan S. Turgenjew), und es gibt ein Gemälde, das die drei an einem Geländer am Elbufer zeigt – natürlich als Friedrich’sche Rückenfiguren (1837). Alexander hatte das Werk bei Friedrich in Auftrag gegeben und Wassili geschenkt. Im Gitter des Geländers finden sich oben kunstvoll eingewebt Schukowskis Vor- und Nachname in kyrillischer Schrift.

Georg Friedrich Kersting, Caspar David Friedrich im Atelier, zwischen 1814 und 1819, Kunsthalle Mannheim

Unterstützung in schweren Zeiten

Auch oder besonders als es dem Maler finanziell und gesundheitlich immer schlechter ging, als nur noch wenige sich für seine Kunst interessierten, sorgte Schukowski dafür, dass Kaufaufträge vom Zarenhof und von Sammlern aus dem Russischen Reich eingingen. Nach Friedrichs Schlaganfall 1835 bat er den Thronfolger um »ein- oder zweitausend Rubel für Zeichnungen und Gemälde«, um dem Kranken zu helfen. Noch im März 1840, zwei Monate vor Friedrichs Tod, besuchte Schukowski ihn und kaufte Sepiazeichnungen für seinen ehemaligen Zögling.

Er selbst erwarb im Lauf der Zeit eine Sammlung von neun Gemälden und fünfzig Zeichnungen Friedrichs. Zu seinen Lieblingsmotiven gehörten Wolken, fliegende Eulen, Schiffe auf dem nächtlichen Meer – und Friedhöfe. Das verwundert nicht, hatte der romantische Dichter doch seine Laufbahn 1802 mit der Übertragung einer Elegie von Thomas Gray begonnen. Sie trägt den Titel »Dorffriedhof«.

Caspar David Friedrich, Der Friedhof, um 1825, Albertinum, Dresden

Der Dichter als Bindeglied

Schukowski verbrachte seine letzten Lebensjahre in Baden-Baden und starb dort 1852. Mehr über ihn erzähle ich im zweiten Kapitel von Verheißung und Dekadenz, allerdings erwähne ich darin CDF nur am Rande. Die Beziehung zwischen den beiden Künstlern der Romantik ist eine der vielen faszinierenden Linien, die an das Buch anknüpfen.

Eine weitere verbindet übrigens das Porträt des vierundfünfzigjährigen Schukowski aus der Titelcollage (Verheißung und Dekadenz, S. 39) mit dem ukrainischen Nationaldichter Taras Schewtschenko. Von dieser spannenden Episode ist im Gogol-Kapitel die Rede, aber das hebe ich mir für einen anderen Beitrag auf.

Fotos nach Bildern in der Ausstellung:
Caspar David Friedrich. Wo alles begann, Albertinum, Dresden
Titelcollage, Details:
Karl Pawlowitsch Brjullow, Wassili Andrejewitsch Schukowski, 1837
Caroline Bardua, Caspar David Friedrich, 1839

 


Nächste Lesungen

Mittwoch, 14. Mai 2025, 19.00 Uhr
Goethe-Gesellschaft Erlangen
Hallerhof, Tennenloher Str. 3, 91054 Buckenhof
www.goethe-gesellschaft-erlangen.com

Sonntag, 1. Juni 2025, 18.00 Uhr
Kulturscheune, Ermetzhof 19, 91613 Marktbergel
Am Klavier: Christian Glowatzki
www.kulturscheune-ermetzhof.de

Marion Voigt, Verheißung und Dekadenz
Baden-Baden und die russische Literatur im 19. Jahrhundert

Biografische Skizzen, Freiburg, 2024

Gebunden mit Lesebändchen, 228 Seiten, mit Abbildungen, 24 Euro
ISBN 978-3-910228-07-8

Bestellung über Ihre Lieblingsbuchhandlung, im Shop der Autorenwelt oder direkt beim 8 grad verlag.

Zurück