Buchmarktspecial: Wenn die Schlüsselreize fehlen

Der erste Eindruck zählt

Porträt Dieter Durchdewald

Wie funktioniert der Buchmarkt? Wie kommt ein Buch in die Welt? In loser Folge erscheinen hier Beiträge von Dieter Durchdewald, Berater für Unternehmen und Akteure der Medienbranche. Erst mal geht es um reine Äußerlichkeiten.


Als ich unlängst mit unserem Neunjährigen die 2. BuchBerlin besuchte, eine Verkaufsmesse für überwiegend kleinere Verlage und Selfpublisher, zog er mich zu einem Stand mit Jugendbüchern. Ihn faszinierte ein Roman, den man früher wohl dem Genre Gruselroman zugeordnet hätte. Der Verleger höchstpersönlich erzählte ihm, der Autor habe das Buch gemeinsam mit seinem Sohn geschrieben.

Der kritische Vater wollte die Klappenbroschur erst gar nicht in die Hand nehmen, da ihm sämtliche Signale für ein akzeptables Buch fehlten: Schrift auf dem Umschlag zu klein und zu wenig kontrastreich; kein Verlagslogo, weder auf dem Cover noch auf Buchrücken und Rückseite; der Rückseitentext ellenlang bis knapp über dem Strichcode. Auf die Frage, wo die Text-Bild-Marke auf dem Cover des Buches zu finden sei, kam als Antwort, man habe das Logo versteckt, um das Cover interessanter zu machen. Ein Suchbild also!

Genauso schlimm ging es im Inneren mit dem Satzspiegel weiter: Schrift bis in den Bund, Wortabstände aufgrund des Blocksatzes teilweise über einen Zentimeter breit.

Der Sohn wollte das Buch trotzdem haben (und wer wollte sein Kind vom freiwilligen Lesen abhalten). Zähneknirschend bezahlte ich die zehn Euro.

Nur keine falschen Erwartungen wecken

Da unser Junior immer noch lieber vorgelesen bekommt, als selbst zu lesen (und das die Eltern völlig unpädagogisch auch noch fördern, weil sie gerne vorlesen), hatte ich abends das unvermeidbare Vergnügen der Lektüre. Und siehe da, die Geschichte war wirklich spannend. Sie spielte auf zwei Zeitebenen und hielt den Spannungsbogen bis zum Ende. Nicht alle verwendeten Sprachbilder stimmten, aber immerhin gab es kaum orthografische Fehler. Die Ohren unseres Sohnes glühten bereits nach dem ersten Kapitel. Und als ich nach dem dritten keine Lust mehr auf Vorlesen hatte, las er tatsächlich alleine weiter.

Nach einer Woche war der Roman ausgelesen. Kurz vor dem Einschlafen fragte unser Sohn, warum mir ein so tolles Buch zuerst gar nicht gefallen habe. Ich erklärte ihm, dass bei einem Buch das Cover samt Schrift auch noch briefmarkenklein – in Rezensionen oder Werbeanzeigen – zu erkennen sein muss; dass der Verlag sein Logo, seine Marke möglichst überall zeigen sollte, um bekannt zu werden; dass der Rückseitentext den Inhalt auf den Punkt bringen und nur die obere Hälfte der Rückseite einnehmen sollte. So könne sich der Leseinteressierte schnell darüber klar werden, ob das Buch etwas für ihn ist. Außerdem brauche er sich dann nicht zu ärgern, dass im unteren Teil ein Barsortimentsaufkleber den Text verdeckt, und überhaupt …

Nach einer Minute hörte ich nur noch ruhiges Atmen. Meine Ausführungen zum Produktmarketing waren offensichtlich sehr einschläfernd.

Mit sicherem Blick fürs Detail

Ich frage mich, was wäre eigentlich geschehen, wenn diese gute Geschichte professionell betreut worden wäre, ein erfahrener Mediengestalter sich des Covers und des Layouts angenommen, ein Lektor sich mit dem Text beschäftigt hätte?

Vermutlich hätte das Buch unserem Sohn dadurch kaum mehr gefallen. Aber vielleicht wäre sein kritischer Vater weniger zurückhaltend gewesen, hätte das Buch anderen kritischen Eltern weiterempfohlen, vielleicht hätte es sogar den Sprung in den Buchhandel geschafft und wäre womöglich zum Lieblingsbuch vieler Neunjährigen geworden.

Der Verleger des Gruselromans hat seine Chance, Aufmerksamkeit für sein Produkt zu gewinnen, schlecht genutzt. Ihm und allen Selfpublishern sei empfohlen, sich verschiedene Beispiele aus erfolgreichen Verlagen genau anzuschauen. Bewährte Standards zu nutzen mag manchmal langweilig erscheinen. Aber wenn sich ein Buch mit anderen Produkten messen muss, entscheidet neben Inhalt und Preis die äußere Gestaltung. Im Onlineshop ebenso wie auf dem Büchertisch.


Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit der Gestaltung eines Buches gemacht?

 

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